/ / Die Violine von Auschwitz

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Als ich es sah, imponierte mir sogleich sein Äußeres: Schlicht, aber ausgesprochen kunstvoll in Bezug auf das Motiv, der Schriftsatz in Farbgebung und Anordnung harmonisch, das Papier vertikal reliefiert. – Sollte dieses Buch bei der Stiftung Buchkunst nicht mindestens Erwähnung finden, verstünde ich die Welt nicht mehr. In jedem Fall sei an dieser Stelle Roland Eschlbeck & Ruth Botzenhardt gedankt, die sich für die Umschlaggestaltung verantwortlich zeichnen.

 

Zum Inhalt:

Es gibt eine knappe und fast schon provisorische Rahmenhandlung, in der ein Musikertrio [Climent, Gerda und Virgili] bei einem Gastspiel in Krakau die polnische Geigerin Regina kennenlernt. Reginas Spiel bewegt und fasziniert Climent so sehr, dass er sie und ihr -unbekannt vollkommen [da ist es wieder] klingendes- Instrument näher kennenzulernen versucht.

Und hier beginnt die eigentliche Geschichte: Die Geige ist ein Einzelstück, das Reginas Onkel, Daniel Cracoviensis, zu Zeiten seiner Nazi-Gefangenschaft in einem Nebenlager von Auschwitz anfertigte. Und sie ist noch viel mehr: Auftragsarbeit und Chronist einer unmenschlichen Wette zwischen dem Lager-Kommandanten und –Arzt.

All das wird in der Folge minutiös nachgezeichnet und aufgearbeitet…

 

Die Geschichte hätte also durchaus großes Potenzial, gäbe es da nicht das Problem mit der Distanz – der Distanz zwischen dem Leser und der Handlung. Wie ausgerechnet bei dieser Thematik das [Mit-]Gefühl ausbleiben kann, war mir vorübergehend ein Rätsel, aber der Erzählton und –stil ist hierfür überwiegend zu neutral.

Der beauftragte Geigenbau ist für Daniel eine emotionale Flucht aus der Gefangenschaft: In gewisser Weise ist er privilegiert, indem er seiner Leidenschaft und seinem Beruf in dem Lager nachgehen kann. Trotzdem bleibt es eine fürchterliche Gefangenschaft, zumindest für Daniel – nicht aber für den Leser: Die Erzählung gerät an diesem Punkt aus der Balance, findet sie aber später -glücklicherweise- wieder, spätestens auf Seite 143.

 

Bis auf ein/zwei sperrige bis wundersame Begriffe [„funkelnagelneu“, S.88] kommt dieses Werk sprachlich fast schon poetisch schön daher:

„Ein Schatten tiefer Traurigkeit umwölkte ihre hellen Augen und verstärkte die Falten in ihrem schönen Gesicht. Ihre Hand strich wirkungslos über das blonde, von Silberfäden durchzogene Haar.“

Trotzdem vermag es nicht zu begeistern oder zu bewegen. Es erinnert an eine Mischung aus „Eine exklusive Liebe“ von Johanna Adorján und „Lea“ von Pascal Mercier, wobei es in der Tiefe beide Bücher nicht erreicht.

 

Es ist kein schlechtes Buch, das ganz sicher nicht, aber eben auch kein überragendes.

Und doch: Wenn man das Buch abschließend zuklappt und noch einmal den Umschlag betrachtet, dann hat man plötzlich das Gefühl, dass es auch von Daniel, diesem feinsinnigen Künstler geschaffen sein könnte: Die Maserung des Holzes als Relief im Papier.

 

 

Bewertung: befriedigend+

 

„Die Violine von Auschwitz“ von Maria Àngels Anglada [ Übersetzerin: Theres Moser / Originaltitel: „El violì d’Auschwitz“ ]

 

ISBN 9783630873268 [Luchterhand Literaturverlag, Gebundene Ausgabe, 18.95EUR] – HABEN!!

 

Rezensent: Torsten Woywod Kategorie: Druckfrisch

 

Ein Kommentar

  1. Marcus Feldmann sagt:

    Die Buchbesprechung ist zutreffend. Leider kommt der Roman “Die Violine von Auschwitz” an das emotional Bewegende und Unfassbare vergleichbarer Romane wie z.B. “Roman eines Schicksalslosen”, “Die Mütze – Preis des Lebens”, “Warum bist Du nicht früher gekommen” oder “Soaring underground” nicht im Entferntesten heran. Schade! Aber vielleicht ist es auch uns, die dies nicht am eigenen Leib erfahren mussten auch nicht möglich so ein Buch zu verfassen.
    Interessieren würde mich, ob dieser Roman bezogen auf den Violinenbau im KL Auschwitz -Nebenlager auf Tatsachen beruht. Darüber ist nichts eindeutiges im Internet zu finden.