Ich frage mich gerade, inwiefern es anmaßend erscheint oder gar ist, wenn ein einfacher Buchhändler einen Titel verreißt, der 2009 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises vertreten war… ?!

Es ist so: 2005 war ich in Wiesbaden unterwegs und stattete dabei auch der Großbuchhandlung “Buch Habel” einen Besuch ab. Die hatten wirklich schöne Büchertische und so kaufte ich mir für die Zugrückfahrt “Das Gefühl am Morgen” von -ihr ahnt es schon- Rainer Merkel. ‘Spontankauf’ nennt man so etwas wohl – und die Lektüre war ganz nett, wirklich.

Umso gespannter war ich nun, als ich den vielgelobten Titel “Lichtjahre entfernt” aufschlug – übrigens ebenfalls als Bahnlektüre.

Das Buch handelt von dem Psychotherapeuten Thomas Kaszinski, der auf dem Weg zum New Yorker Flughafen in -immer wieder aufs Neue vergegenwärtigten- Erinnerungen seine letzte Beziehung und deren Scheitern aufarbeitet.

Diese Aufarbeitung erfolgt durch eine Sortierung von überlagerten Gedanken und Erinnerungsfetzen, woran der Leser auf mehr als 200 Seiten teilnimmt. Der Klappentext umschreibt das Ganze so:

“In seinem neuen Roman erzählt Rainer Merkel Szenen einer erlöschenden Liebe. Ein Mann muss zum Flughafen. Er hat es eilig, aber seine Erinnerungen halten ihn auf. Hier in New York hat er seine langjährige Freundin noch einmal getroffen. Ein letztes Mal. In immer neuen Anläufen kreisen seine Gedanken um das Zentrum der Katastrophe. Er erinnert sich an die dramatischen Ereignisse der letzten Monate.”

Ich mache es kurz: Mir hat das Buch nicht gefallen, und ich habe es einzig deshalb zu Ende gelesen, weil ich kein anderes Buch dabei hatte. Ich habe vergeblich auf “dramatische Ereignisse” gewartet [bei fortwährender Lektüre sogar: gehofft!], und was das etwaige Aufkommen bis Einstellen einer gewissen Atmosphäre anbelangt, verhielt es sich ebenso.

Vielleicht ist das Buch auch schlichtweg zu hoch für mich, mag sein, aber die Hochfrequenz der Szenen- und Gedankenwechsel erscheint mir deutlich übertrieben, zumal sich manche Erzählstränge auch rückblickend als gehaltlos für den Gesamtkontext erweisen…

Den größten Kritikpunkt macht aber die Distanz aus, die der Leser einnimmt und hält: Man nimmt die Rolle eines neutralen Beobachters ein, ohne jeden Anflug einer Emotion. – So erging es zumindest mir; dass es andere Eindrücke und Auffassungen gibt, beweisen die hymnischen Besprechungen andererorts.

Bewertung: ausreichend

“Lichtjahre entfernt” von Rainer Merkel

ISBN 9783100484420 [s.Fischer, Gebundene Ausgabe, 18.95EUR] – HABEN!!

Rezensent: Torsten Woywod Kategorie: Druckfrisch